Die Reichstagsverhüllung von Christo und Jeanne Claude

Die Reichstagsverhüllung von Christo und Jeanne Claude

27.05.21
Kunsthaus ARTES
Kunstwerke Künstler
Zunächst kontrovers diskutiert, wurde mit Christo und Jeanne-Claudes Reichstagsverhüllung 1995 das erste deutsche Sommermärchen wahr.
 

Diejenigen, die vor zwanzig Jahren den Zauber erlebt haben, der von dem in silbrig-glänzende Stoffbahnen gehüllten Reichstag ausging, vergessen den Anblick und die friedlich-kontemplative Stimmung um das von Christo und Jeanne-Claude geschaffene Kunstwerk herum sicher nicht mehr. Je nach Tageszeit und Lichteinfall entfaltete der verhüllte Reichstag eine individuelle, faszinierende Wirkung. Nur zwei Wochen lang war das zugleich kolossale und vergängliche Kunstereignis zu erleben und prägte doch eine ganze Generation und nicht zuletzt das Deutschlandbild im Ausland. Es wurde zu einem Sinnbild für die Zukunftshoffnungen der wiedervereinten Republik und zog Millionen Besucher in seinen Bann. Für den Impulsgeber des Projektes Michael S. Cullen waren die zwei Wochen der Reichstagsverhüllung sogar das eigentliche Fest der Wiedervereinigung Deutschlands. Der seit Beginn der 60er- Jahre in Berlin lebende amerikanische Historiker und Publizist hatte Christo 1971 über einen Freund eine Postkarte des 1894 erbauten Reichstagsgebäudes zukommen lassen, mit dem Vorschlag, es doch zu verhüllen, worauf Christo mit einem knappen „Ja, besorgen Sie die Genehmigung“ geantwortet haben soll.

Den Ende der 50er-Jahre aus Bulgarien geflohenen Christo reizt die Verhüllung des direkt an der Mauer gelegenen geschichtsträchtigen Gebäudes, aufgrund seiner symbolischen Bedeutung für die Teilung Europas besonders. Noch im selben Jahr schlagen Jeanne- Claude und er den Abgeordneten in Bonn das Projekt mit dem Arbeitstitel „Wrapped Reichstag, Project for Berlin“ vor und kassieren zunächst eine Absage.

Reichtagsverhüller Christo

Erst 24 Jahre später, im Sommer 1995, wird die Reichstagsverhüllung realisiert. Über 100.000 Quadratmeter mit Aluminium bedampftes Polypropylengewebe und rund 15.000 Meter blaues Polypropylenseil werden von 90 professionellen Kletterern um das Gebäude drapiert. Die Gesamtkosten von15 Millionen Dollar bringt das Künstlerpaar, wie für all seine Projekte, selbst auf, um unabhängig künstlerisch arbeiten zu können.

Doch die größte Herausforderung bei dem Mammutprojekt bot nicht etwa dessen technische Umsetzung, sondern das Überzeugen von Gegnern und das Einholen der offiziellen Genehmigung. Zwischen 1992 und 1994 sprachen Christo und Jeanne-Claude hierfür mit 400 Abgeordneten, um sie für ihr Vorhaben zu gewinnen, das quer durch die Fraktionen polarisierte. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl gehörte zu den entschiedenen Gegnern der Aktion, Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth hingegen zu den frühen Befürwortern. Am Abend vor der Abstimmung im Bundestag wettete Süssmuth fünf Flaschen Champagner auf eine Niederlage der Pro-Chris- to-Fraktion und verlor – glücklicherweise. Knapp, mit 292 gegen 223 Stimmen bei neun Enthaltungen, bewilligte am 25. Februar 1994 der Bundestag die Verhüllung des Reichstagsgebäudes.

Viele vormalige Gegner erlagen der Wirkung des Kunstwerkes und der damit einhergehenden Feststimmung in Berlin, Christo und Jeanne-Claude ließen sich während der Installation aber von Bodyguards bewachen und trugen kugelsichere Westen.

Christo arbeitete auch nach dem Tod seiner Partnerin 2009 nach wie vor an der Umsetzung spektakulärer Projekte, wie dem Zudecken großer Teile des Arkansas River im US-Bundesstaat Colorado und der Errichtung einer aus 410.000 bunten Ölfässern bestehenden Mastaba in Abu Dhabi sowie die begehbaren „Floating Piers“ auf dem Iseo See in Italien.

Am 31. Mai 2020 verstarb Christo im Alter von 84 Jahren in New York. Sein letztes geplantes Projekt, die Verhüllung des Arc de Triomphe, ursprünglich für 2020 vorgesehen, soll zwischen dem 18. September und 3. Oktober 2021 stattfinden.

 

Erhältliche Werke von Christo und Jeanne Claude...