
Kunst und Erbschaft - Interview mit den Kunstanwälten Dr. Pascal Decker und Bertold Schmidt-Thomé
Die Kunstanwälte Dr. Pascal Decker und Bertold Schmidt-Thomé über die steuerrechtliche Optimierung der Vermögensübertragung.
Kunsthaus ARTES: Immer mehr Menschen kaufen Kunst. Worauf sollte man beim Kunstkauf aus Sicht der Rechtsberatung achten?
Dr. Pascal Decker: Der Kauf eines Kunstwerkes ist in der Regel eine sehr persönliche Entscheidung, zunächst einmal sollte ein Kunstwerk, das man kaufen möchte, deshalb ansprechen. Wenn man viel Geld fur ein Kunstwerk aufwendet, gibt es aber auch viele Fallstricke. Fachlichen, auch rechtlichen Rat sollte man deshalb am besten schon vor dem Kauf einholen.
Vermeiden kann man Fehlkäufe am besten, wenn man Echtheit und Provenienz eines Werkes geprüft hat oder sich auf deren Prüfung durch einen vertrauenswürdigen Händler verlassen kann.
ARTES ist da auf jeden Fall eine sehr gute Adresse. Als potenzieller Kunstkäufer sollte man sich auserdem in die Lage versetzen, den Angebotspreis einzuordnen.
Wertbestimmung bei einem Kunstwerk
Kunsthaus ARTES: Der Wert von Kunst ist ein schwieriges und teilweise auch persönliches Thema. Nun gibt es Situationen, wie zum Beispiel im Steuerrecht, in denen absolute Werte gefunden werden müssen. Wie lässt sich dieser Wert bestimmen?
Dr. Pascal Decker: Tatsächlich ist der Wert eines Kunstwerkes nicht absolut, sondern regelmäßig situativ zu bestimmen. Wenn Sie ein Kunstwerk unbedingt haben wollen, werden Sie im Zweifel bereit sein, mehr dafür auszugeben, als es z. B. bei einem dringenden Notverkauf einbringen würde.
Diese Unterschiede werden im Prinzip auch im Steuerrecht nachvollzogen. Zwar spricht das Steuerrecht für die Wertbestimmung eines Kunstgegenstandes allgemein von dem sogenanntenn „gemeinen Wert“. Dieser kann aber je nach Kontext sehr unterschiedlich sein. Für die Erbschafts- oder Schenkungssteuer ist beispielsweise derjenige Wert maßgeblich, welchen der Erbe bei einem hypothetischen Verkauf am Tag der Schenkung oder des Erbfalls erzielen könnte. Dabei dürfen zum Beispiel Transaktionskosten wertmindernd berücksichtigt werden.
So kann es passieren, dass ein Kunstwerk zu einem Verkehrswert von 100.000 Euro gekauft wurde, der steuerlich relevante gemeine Wert hingegen nur mit 60.000 Euro anzusetzen ist. Wenn Sie das Kunstwerk hingegen an eine öffentliche Sammlung oder eine gemeinnützige Stiftung stiften, kommt es für die steuerwirksame Spendenbescheinigung darauf an, welcher Wert der Institution zufließt. Der kann dann auch deutlich über einem früher gezahlten Kaufpreis liegen.

Dr. Pascal Decker ist Gründungspartner von dtb rechtsanwälte.
Seit annähernd 25 Jahren vertritt er Mandantinnen und Mandanten in allen kunstrechtlichen Belangen.
Neben bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern unserer Zeit vertritt er auch maßgebliche öffentliche und private Sammlungen.
Kunsthaus ARTES: Eine erstaunliche Differenz. Lassen sich daraus auch Chancen für die Eigentümer von Kunstwerken generieren?
Bertold Schmidt-Thomé: Durchaus! Die Zeiten, in denen man mit Kunstsammlungen am Finanzamt "vorbeibekommt", sind zwar weitestgehend vorbei. Das ist jedoch kein Nachteil, sondern ein Vorteil, da man Kunst steuerlich gut für sich nutzen kann.
Hierbei spielt die Differenz zwischen Verkehrswert und gemeinem Wert eine wichtige Rolle. Die langjährige anwaltliche Praxis belegt, dass gerade bei der Übertragung einer privaten Sammlung auf die nächste Generation sich der gemeine Wert auf bis zu 50 Prozent eines hypothetisch ermittelten Verkaufspreises festlegen lässt. Das spart bares Geld bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer.
Hierbei kommt es freilich stark auf eine überzeugende Argumentation und ein kooperatives Verhältnis des juristischen Beraters zu der Finanzverwaltung an. Die Ämter werden nach unserer Beobachtung in letzter Zeit zwar strenger, sind sich aber bewusst, dass der gemeine Wert von Kunstgegenständen stets besonders vorsichtig zu ermitteln ist.
Steuerrecht und öffentliches Interesse an Kunst
Kunsthaus ARTES: Welche Rolle spielt das öffentliche Interesse an Kunstwerken und ihre gesellschaftliche Relevanz im Steuerrecht?
Bertold Schmidt-Thomé: Die Bedeutung von Kunst für die Gesellschaft macht sie steuerrechtlich zu einem privilegierten Vermögensgegenstand, unabhängig von den persönlichen Erbschaftssteuerfreibeträgen (500.000 Euro für Eheleute, 400.000 Euro für Kinder). Seinen Niederschlag findet dies in einer erbschaftssteuerlichen Regelung, die zwar alt, aber keineswegs ohne Zweck ist. So können sich im Rahmen von Kulturgüterbefreiungen Ermäßigungen von 60 oder 100 Prozent ergeben.
Beide Alternativen verbindet, dass ein vererbter Kunstgegenstand innerhalb von 10 Jahren seit dem Erbfall nicht veräußert werden darf. Ein 60-prozentiger Bewertungsabschlag kommt in Betracht, wenn die Erhaltung der Kunstgegenstände oder der Kunstsammlung wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt.
Des Weiteren müssen die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen. Schließlich müssten die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sein oder werden.
Was den Erhalt eines Kunstgegenstandes im öffentlichen Interesse betrifft, sind meist keine Schwierigkeiten zu erwarten. Nutzbar wird ein Kunstwerk sicherlich dann, wenn es in einem Museum ausgestellt ist. Als praktikabler erweist es sich jedoch ein Kooperationsvertrag des Sammlers mit einem Museum. So wird dieser zu einem "ausgelagerten Depot" des Museums, die Werke stehen dem Museum jederzeit für Ausstellungen oder Ähnliches zur Verfügung. Auch die Öffnung privater Anwesen für angemeldete Besucher in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen kommt in Betracht, um die 10-jährige Nutzbarmachung zu erfüllen.

Bertold Schmidt-Thomé, M.A., ist seit annähernd 20 Jahren einer der führenden Stiftungs- und
Gemeinnützigkeitsexperten des Landes. Als Rechtsanwalt, Kunsthistoriker und Testamentsvollstrecker bietet er
seinen Mandantinnen und Mandanten spezialisierte Beratung aus einer Hand.
Kunsthaus ARTES: Und wie ergibt sich eine 100-prozentige Ermäßigung?
Bertold Schmidt-Thomé: Für einen 100 %igen Abschlag müssen zusätzlich noch drei weitere Kriterien erfüllt werden: Der Steuerpflichtige muss bereit sein, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen. Außerdem müssen die Gegenstände sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder im Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung eingetragen sein.
In der Praxis bedeutet das, dass Sie als Sammler bereit sein müssen, etablierte denkmalpflegerische respektive konservatorische Anforderungen zu erfüllen. Dies betrifft die Aufbewahrung und Pflege und gelingt schon durch eine Erklärung gegenüber der zuständigen Denkmalschutzbehörde, so erst 2016 vom Bundesfinanzhof entschieden.
Praktisches Beispiel
Kunsthaus ARTES: Könnten Sie diese eher theoretischen Überlegungen noch einmal verdeutlichen?
Bertold Schmidt-Thomé: Lassen Sie mich die beschriebene umfassende und strategische Nutzung bei einer Ermäßigung von 60 Prozent kurz rechnerisch darstellen. Zur Erinnerung: Diese greift dann ein, wenn der 20-jährige Familienbesitz noch nicht vorliegt. Ein Sammlerehepaar will aus dem gemeinsamen Sammlungsbesitz Kunstgegenstände im Wert von 8 Mio. Euro im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge auf zwei Kinder übertragen.
Der Vater überträgt seinen hälftigen Anteil mit einem Verkehrswert von 4 Mio. Euro auf die beiden Kinder. Gemeiner Wert 50 %, somit 2 Mio. Euro. Davon ist der Bewertungsabschlag von 60 % abzuziehen, entsprechend 1,2 Mio. Euro. Daraus folgt: Gemeiner Wert in Höhe von 2 Mio. Euro minus 1,2 Mio. Euro ergibt eine steuerliche Wertgrundlage in Höhe von 800.000 Euro. Jedes Kind erhält damit steuerlich 400.000 Euro €.
Erinnern wir uns: Dies entspricht nun genau dem Freibetrag je Kind. Hier wird deutlich: Kunst im Wert von 8 Mio. Euro lässt sich steuerfrei auf zwei Kinder übertragen. Bei Wertpapieren wäre eine Steuerlast von insgesamt über 1 Mio. Euro zu tragen. Kunst ist eben besonders.
Nach 10 Jahren ist dieser Vorgang erneut denkbar. Bei Enkelkindern ist mit einem Freibetrag von 200.000 Euro ähnlich planbar. Selten wird deutlich genug gemacht, dass der Freibetrag je Kind von beiden Ehegatten und eben nicht nur von einem genutzt werden kann. Damit wird das Kapitalvolumen verdoppelt. Wenn der allein verdienende Elternteil die Kunst aus seinem Vermögen kauft, so kann er seinem Ehepartner im Rahmen des Freibetrags von 500.00 Euro Kunst mit einem steuerlichen Wert in gleicher Höhe schenken, der diese dann nach einer gewissen Frist an das Kind weiterschenken kann.
Bei langfristiger Planung sind auch noch komplexere Gestaltungen mit weiteren Vorteilen darstellbar.

Pergamon Palais Berlin, Sitz von dtb rechtsanwälte. Seit 2004 bietet die Kanzlei dtb rechtsanwälte strategische Rechtsberatung für Kunst und Vermögen.
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