Mit Milbergs im Atelier

Mit Milbergs im Atelier

27.05.21
Kunsthaus ARTES
Interviews

Er ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler, seine Frau Kunsthistorikerin, Moderatorin und Künstlerin. Spätestens seit ihrer gemeinsamen Sendung „Mit Milbergs im Museum“ weiß man, dass das Paar leidenschaftlich gerne über Kunst spricht und dabei höchst unterhaltsam ist. Grund genug für ARTES-Kuratorin Rebekka Maiwald, Judith und Axel Milberg in München zu besuchen.

ARTES: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben für ein Gespräch über Kunst!

AM: Judith und ich sprechen beide gerne über Kunst oder vielmehr denken gerne über Kunst nach, weil – ich spreche jetzt für mich – es wichtig ist, dass irgendetwas Bestand hat, Orientierung gibt, zudem etwas Spielerisches beinhaltet und nicht sofort, zumindest im Prozess des Entstehens, schon wieder Kommerz ist und den Regeln des Marktes folgt.

ARTES: Wir befinden uns hier im Atelier Ihrer Frau Judith, die Künstlerin, Designerin und Kunsthistorikerin ist und augenscheinlich mit allen Poren Kunst atmet. Welchen Zugang haben Sie zur Kunst, Herr Milberg?

AM: Durch meine Eltern lebte ich schon früh und ganz selbstverständlich mit Kunst oder dem, was meine Eltern dafür hielten. Sie haben Kunst gesammelt – Judith hat das noch erlebt – und haben unsystematisch nach ihren persönlichen Vorlieben ein wunderkammerartiges Durcheinander unterschiedlichster, teilweise absurder Objekte zusammengetragen, darunter Fächer, Miniaturen, Silber, barocke Flakons, antikes Glas, Bücher, aber auch Zeichnungen und Gemälde …

ARTES: Die Sammelleidenschaft Ihrer Eltern scheint Ihre Frau mit ihrer ungewöhnlichen Sammlung von Alltagsgegenständen zu teilen.

JM: Man kann eigentlich sagen, ich habe mir die Schwiegermutter ausgesucht …

AM: …und ihren Sohn als Beifang genommen.

JM: Aber hallo! Ein klarer Fall von Beifang.

ARTES: Sie sind also nicht erst durch Ihre Frau dazu gekommen, Ausstellungen zu besuchen, sich mit Kunst zu beschäftigen?

AM: Meine Frau hat mir einen anderen Blick auf die Kunst gegeben. Als Kunsthistorikerin hat sie einen professionellen Blick auf die Kunst. Als wir uns kennenlernten, gingen wir zusammen ins Museum oder vielmehr hakte mich Judith energisch unter, zog mich in ein Museum ihrer Wahl, und dann übernahm Judith das Regiment. Ich ging in gebeugter, respektvoller Haltung, die Hände auf dem Rücken verschränkt, wie ich es von meinen Eltern kannte, von Bild zu Bild. Bis Judith ein zweites Mal an mir zog, mich zu einem Porträt von Frans Hals und einem eines anderen Holländers führte und mir sagte „Wir schauen uns heute nur diese zwei Bilder an“ und mir erklärte, weshalb das eine besser sei als das andere.

JM: So haben wir uns bei Museumsbesuchen meist nur wenige Werke angeschaut und darüber diskutiert.

AM: Und dabei entstand die Idee zu der Sendung „Mit Milbergs im Museum“. Die Fachkraft und der Tölpel, zum kulturellen Verzehr genötigt, treffen sich vor einem Kunstwerk, das ich noch nie gesehen habe. Und das Format haben die Zuschauer sehr geliebt und gut verstanden, weil diese Situation jeder kennt – der Mann, der von seiner Frau gezwungen wird, ins Museum zu gehen.

JM: Das entspricht nicht unserer Realität, das war die Spielsituation der Sendung. (lacht)

AM: Ganz wichtig dabei war, dass bei der Kunstbetrachtung jeder, auch ohne Fachwissen, alles denken und sagen darf. Die Kunst im öffentlichen Raum gehört jedem.

ARTES: Ermittelt auch ein Stück weit Kommissar Borowski, wenn Axel Milberg vor einem ihm unbekannten Kunstwerk steht?

AM: Nein, gar nicht. Obwohl jedes Bild doch irgendwie ein Tatort ist.

JM: Ja, durch die genaue Beschreibung eines Bildes, das Aussprechen des Sichtbaren und der Gedanken dazu, gelangt man zu inhaltlichen Folgerungen und möglichen Erklärungen.

AM: Dinge werden auch durch ihre sprachliche Umkreisung konkret. Das ist ein großes Vergnügen.

JM: Wir lieben das Diskutieren auch im Alltag. Manchmal stehen wir zum Beispiel lange vor einem Gebäude und staunen über dessen Hässlichkeit und haben einfach Spaß an diesem stilistischen Austausch.

AM: Nach wie vor sind wir neugierig auf die Meinung des anderen. Das Nachdenken über Kunst, sei es über die Kunst meiner Frau oder in meinem Bereich, ist tatsächlich für uns existenziell.

ARTES: Glauben Sie, Herr Milberg, dass Ihnen der Beruf des Schauspielers, der ja Charaktere analysieren und interpretieren muss, einen besonderen Zugang zu Kunstwerken gibt?

AM: Das Trennen von Wichtigem von Unwichtigem ist eine Anwendung des analytischen Denkens. Das Hineinversetzen in die Absicht des Künstlers. Warum hat er das so gemacht und nicht anders, warum hat er dieses und nicht jenes Material verwendet … Jeder künstlerische Prozess ist ja ein Prozess tausend kleiner Entscheidungen. Das ähnelt durchaus meinem Beruf.

ARTES: Ist der immaterielle Wert von Kunst, den Sie eingangs ansprachen, etwas, das Sie an Ihre Kinder weitergeben möchten?

JM: Natürlich. Unsere Kinder waren auf allen Reisen mit uns in unzähligen Museen, mussten immer mit und kennen sich inzwischen erstaunlich gut aus – es ist eine große Freude, dass unsere Kinder diese Leidenschaft teilen.

ARTES: Sie sammeln auch selbst Kunst, wie setzt sich Ihre Sammlung zusammen?

JM: Wir sammeln Kunst von Künstlerfreunden, haben einige Erbstücke von Axels Eltern, von Kunstprofessoren aus meiner Familie, haben aber auch einige Stücke gekauft – ein wildes Durcheinander von Bildern, die uns viel bedeuten.

AM: Judiths Bilder erhalten nach und nach natürlich auch Eingang in unsere Räume und schaffen Kontraste zu den alten Bildern.

ARTES: Sind Sie, was die Hängung in Ihrem Haus betrifft, auch so diskussionsfreudig oder haben Sie, Frau Milberg, da die Oberhand?

JM: Ja, ich habe da zwar schon die gestalterische Hoheit, aber wir besprechen auch das gerne gemeinsam.

AM: Wir haben manchmal unterschiedliche Schwerpunkte und Geschmäcker, ich bin zunächst eher vom Gegenständlichen, Narrativen angezogen. Brueghel, Bosch, Vermeer, Turner. Ich entdecke gerne eine Geschichte auf einem Bild und folge da zögerlich meiner Frau, die mir beispielsweise einen Kandinsky oder Rothko näherbringt. Wir machen da aber keine Kompromisse; wie denn auch.

JM: Es ist ja auch spannend, herauszufinden, warum dem Partner ein Bild so gut gefällt, das einen selbst vielleicht nicht sofort anspricht. Das ist auch eine Gelegenheit sich besser kennenzulernen.

 

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