Faszination Siebdruck

Faszination Siebdruck

27.05.21
Kunsthaus ARTES
Interviews Künstler

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat der Siebdruck seinen Siegeszug im Grafik-, aber auch Industrie- und Textildruck an. In der Pop Art von Andy Warhol fand diese druckgrafische Technik einen vorläufigen künstlerischen Höhepunkt und wird heute durch eine Generation junger Künstler wiederbelebt.

Wir sprachen mit Stefan Guzy, einer Hälfte des Künstlerkollektivs „zwölf“, der gemeinsam mit Björn Wiede das Serigrafieatelier „Handsiebdruckerei Kreuzberg“ betreibt, über die Möglichkeiten, die der Siebdruck bietet.

 

ARTES: Herr Guzy, Sie haben Grafikdesign an der Universität der Künste in Berlin studiert. Zuerst haben Sie sich vor allem auf die Gestaltung von Büchern konzentriert. Nun sind Sie als Plakatkünstler aktiv und arbeiten als Druckgrafiker mit vielen Künstlern. Wie sind Sie dazu gekommen?

Guzy: Als Student hat mich und Björn Wiede, mit dem ich jetzt das Designstudio und die Handsiebdruckerei betreibe, die verwaiste Siebdruckwerkstatt angezogen.

In den frühen 2000er-Jahren schloss die Hochschule eine Reihe von Werkstätten, die dann den Studenten überlassen wurden. So habe ich mir, ohne vom Lehrbetrieb gestört zu werden, das Siebdrucken beigebracht.

Als sich mein Arbeitsfeld immer mehr auf die Plakatgestaltung verlagert hatte, für die es meines Erachtens nichts schöneres gibt, als satte, kräftige selbstgedruckte Farben, haben wir das notwendige Equipment zusammengekauft und 2010 für unsere eigenen Arbeiten die Druckwerkstatt in Kreuzberg eingerichtet.

Nach und nach haben wir dann auch vermehrt Druckaufträge anderer Künstler angenommen.

Kunst entesteht nicht im Akkord: Arbeit in der Handsiebdruckerei Kreuzberg. Foto: Waldemar Salesski

 

Das Arbeiten und Drucken mit ungewöhnlichen Materialien zieht sich wie ein roter Faden durch das Schaffen Ihres Künstlerkollektivs. So waren Sie die ersten Künstler, die ein selbst rostendes Plakat gestalteten und druckten. Entspringt die Hauptmotivation Ihrer Arbeit der Verwendung von Werkstoffen und Arbeitsschritten, die andere Künstler eher ausschließen würden?

Das Experiment – ob nun aus typografischer oder aus drucktechnischer Sicht – steht fast immer im Mittelpunkt unserer Arbeit. Mit der eigenen Druckwerkstatt sind wir in der komfortablen Situation, verrückte Ideen sofort praktisch ausprobieren zu können. In den Anfängen verblüffte uns, was sich als Druckmedium alles durch ein Sieb durchbekommen lässt und wie wenig das die Druckgrafik in den letzten Jahrzehnten ausgereizt hat.

Neben wirklich ungewöhnlichen „Farben“ wie Blut, Honig, Motorenöl, Wodka, Zahnpasta, Lippenstift und dergleichen arbeiten wir auch konstant an der Weiterentwicklung eigener Siebdruckfarben auf Basis hochwertiger Künstlerpigmente, die sonst nur in teuren Öl- und Acrylfarben benutzt werden.

Foto: Waldemar Salesski

 

Siebdrucke bzw. Serigrafien erfuhren in den vergangenen Jahren eine deutliche Aufwertung. In der Gestaltungsbranche entwickelte sich ein regelrechter Boom um das handwerkliche Fertigen von Drucken. Siebdruck-Editionen von Künstlern erzielen hohe Erlöse. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Der leichte technische Zugang zu digitalen Drucktechniken, die auch in einem sehr preisgünstigen Segment verfügbar sind, hat in den letzten Jahren zwangsläufig die Aufmerksamkeit wieder zu traditionellen Drucktechniken verschoben. Geschätzt wird dabei nicht nur der hohe manuelle Aufwand, sondern auch besondere Qualitäten, die sich einfach nicht mit Inkjetdruckern erreichen lassen, wie die feinen Tonwerte im Steindruck und die Leuchtkraft der Farben im Siebdruck.

In gewisser Weise erscheint auch die Dauer des Druckvorgangs, der bei vielen Farben durchaus mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nehmen kann, einem künstlerischen Werk angemessener, als ein in wenigen Minuten erstellter Ausdruck. Unsere wichtige vorbereitende Arbeit mit den Künstlern zu Nuancen in den Druckfarben, zum Format, zu den möglichen Papieren und dergleichen könnte unter einem vor allem auf Tempo ausgerichteten Druckvorgang gar nicht stattfinden.

Durch ein feinmaschiges Sieb wird die Farbe auf den Bildträger aufgedruckt. Foto: Waldemar Salesski
Vorbereitung eines Drucksiebes. Foto: Waldemar Salesski
Foto: Waldemar Salesski