Say YESS! Ein Atelierbesuch

Say YESS! Ein Atelierbesuch

27.05.21
Kunsthaus ARTES
Interviews Künstler

Lutz Stein (*1978) hatte sich in seiner Heimatstadt Halle/Saale bereits einen Namen mit seinen Arbeiten im urbanen Raum gemacht, als er 2009 begann, unter dem Alias „Yess“ seine Kunst auf der Leinwand zu perfektionieren. ARTES hat den Künstler in seinem Atelier bei Stuttgart besucht.

 

ARTES: Buchstaben sind in deinen Arbeiten ein wiederkehrendes Motiv. Was bedeuten diese für dich?

YESS: Begonnen habe ich auf der Straße mit klassischem Graffiti, mit Sprühdosen und Markern. Durch die stundenlange Ausarbeitung meiner Schriftzüge in Skizzenbüchern begann ich, die Aussagekraft der Buchstaben zu begreifen, diese zu Verfremden und zum Beispiel mit Comicelementen zu kombinieren. Diese Comicelemente brachten mich immer mehr der figürlichen Darstellung näher.

Beeinflussen deine Erfahrungen als Graffitimaler die aktuellen Arbeiten, die in der Ruhe und Abgeschiedenheit des Ateliers entstehen?

Die Abgeschiedenheit im Atelier gibt mir die Möglichkeit, mich ganz auf mein Schaffen zu fokussieren. Das Malen auf der Straße ist geprägt von Lärm, den Wettereinflüssen, Begegnungen mit Menschen (auch der Polizei) und dem mir persönlich gesetzten Zeitrahmen. Mittlerweile ziehe ich das Arbeiten im Atelier dem Malen auf der Straße vor.

In gewisser Weise sehe ich mich immer noch als Graffitimaler und versuche die Atmosphäre der Straße auf die Leinwand zu übertragen. Das in der Darstellung Schmutzige in meinen Arbeiten steht symbolisch für die  Straßenzüge und Häuserwände meiner Heimatstadt Halle in der für mich prägenden Nachwendezeit.

YESS bei der Arbeit in seinem Atelier.

 

Deine Bilder sind belebt durch Konsum-Logos, Comic-Figuren und Zeichen der westlichen Pop-Kultur. Was hat es damit auf sich?

Mit dem  Aufkommen westlicher Werbung und den damit einhergehenden massenkulturellen Symbolen veränderte sich die Atmosphäre in den Städten Ostdeutschlands. Das Grau der sozialistischen Straßenzügen und Häuserwände wich den bunten Farbexplosionen der kapitalistischen Wunderwelt.

Diese prägenden Eindrücke versuche ich in meinen Arbeiten wiederzugeben, wobei konsumkritische Ansätze stets vorhanden sind.

Aus meiner Biographie resultieren einzelne typisch ostdeutsche Motive, die neue Wahrnehmungen konstruieren.

Das mich Wiedererkennen in meinen eigenen Kindern sensibilisiert mich auch für meine eigene Kindheit in der ehemaligen DDR und im Nachwendedeutschland.

 

Führe uns durch deinen Malprozess. Wie arbeitest du?

Ich gebe mir einen Arbeitstitel und recherchiere dazu Motive, die ich vorskizziere. Farbigkeit, Größe und das Ineinandergreifen der einzelnen Symbole müssen stimmig sein und erfordern eine gute Vorausplanung. Hauptsächlich arbeite ich mit Marker und Pinsel, aber auch Sprühdosen  und Spachtel kommen zum Einsatz.

Etwa zur Hälfte des Schaffensprozesses kommt eine Unzufriedenheit bei mir auf, ein Infrage stellen der Arbeit. Diesen Punkt zu überwinden kostet viel Disziplin. Ist dieser Punkt aber überwunden, kann ich mich wieder auf die Arbeit einlassen und neue Wege gehen.

Musik ist während der Arbeit an einem Bild ein wichtiger Faktor. In melancholischer Stimmung höre ich zum Beispiel gern klassische Musik, in euphorischem Zustand mag ich westafrikanische Klänge oder Jazz.

Im Atelier von Yess.

 

Wann ist ein Bild in deine Augen vollendet?

Das ist reine Gefühlssache, ich sehe das Bild und es ist für mich stimmig. Mitunter will sich dieses Gefühl nicht einstellen. Diese Bilder stelle ich dann für Tage, Wochen oder Monate beiseite und wenn sie dann nach dieser Zeit wieder vor mir stehen, sehe ich immer intuitiv, was noch zu malen ist, damit die Bilder für mich vollendet sind.

Die Werke von YESS entstehen in langer Feinarbeit.