Georg Baselitz: Immer gegen den Strom – manchmal auch kopfüber

Georg Baselitz: Immer gegen den Strom – manchmal auch kopfüber

11.01.23
Kunsthaus ARTES
Kunstgeschichte Künstler

Er ist ein absolutes Unikat der Kunstszene: Seit dem Beginn seiner Karriere hat sich Georg Baselitz gegen den Mainstream gestellt und ist dieser Maxime bis heute treu geblieben. Sein Nonkonformismus machte ihn dann auch zu einem der bedeutendsten Vertreter der Gegenwartskunst.

Unzählige Ausstellungen in allen wichtigen Institutionen auf der ganzen Welt sowie zahlreiche Auszeichnungen dokumentieren seinen Sonderstatus als internationaler Künstler. So wurde er zum Beispiel zum Ehrenmitglied der Royal Academy in London ernannt und dort auch 2007 mit einer großen Retrospektive gewürdigt. Zu seinem 80. Geburtstag richteten dann allein im deutschsprachigen Raum sechs Museen Ausstellungen zu seinen Ehren aus. Über die Jahrzehnte wurde seine Arbeit in vielen Ländern der Welt mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, England, Japan und Österreich. Außerdem ist er weltweit in allen renommierten Sammlungen vertreten.

Allein das Museum of Modern Art in New York führt über 70 seiner Werke in seinen Beständen. Diese Reihe an Superlativen aus über 60 Jahren hochengagiertem künstlerischen Arbeitens ließe sich endlos fortsetzen. Und auch noch im Jahr 2022 können in der internationalen Kunstszene nur wenige mit Georg Baselitz, Jahrgang 1938, mithalten. Im Kunstkompass der Zeitschrift Capital wird er seit Jahren unter den Top Five der größten Gegenwartskünstler gelistet.

Seine Berühmtheit und immer noch große Relevanz für die Gegenwartskunst spiegelt sich auch in den aktuellen Preisen für seine Werke. Es gibt einen „echten Baselitz“ zwar auch im vierstelligen Bereich, doch schnell bezahlt man für seine Gemälde, Holzschnitte und Skulpturen sechsstellige Beträge. Bei Auktionen reißen seine Werke in den letzten Jahren sogar oftmals die Millionenmarke. Überhaupt scheint mit seinem zunehmenden Alter das Interesse an Georg Baselitz stetig anzuwachsen.

Ein kritischer Geist – damals wie heute

Seinen großen Erfolg verdankt Baselitz nicht zuletzt seinem Nonkonformismus, den er sich bis heute bewahrt hat. Doch zunächst sollte ihm seine rebellische Ader reichlich Ärger bescheren. Er hatte kaum zwei Semester an der Ost-Berliner Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert, da schmiss ihn die Fakultät schon wieder raus – wegen "gesellschaftspolitischer Unreife".

Tatsächlich erschien der Hochschulleitung sein Interesse an Pablo Picasso zu groß, dessen Werke nicht mehr in das DDR-Weltbild passten. Sich mit dem Establishment anzulegen gehörte bei Georg Baselitz auch in den folgenden Jahrzehnten zum Programm. Von der staatlich kontrollierten Linie in der Kunst der DDR frustriert, ging er in den Westen. Aber auch hier fühlte er sich keiner der etablierten Schulen zugehörig. Mit der damals populären Abstraktion konnte er nichts anfangen und auch mit der aufkommenden Pop-Art fremdelte er.

Gegen alle Trends und Dogmen suchte er seinen eigenen Stil und entwickelte sowohl für seine Malerei als auch seine Bildhauerei sehr individuelle expressive und zugleich figurative Ausdrucksweisen. Mit seinem Streben nach einer autonomen und eigenständigen Kunst sorgte er dann auch für seinen ersten großen Skandal. Bei der heute legendären Ausstellung in der Galerie Werner & Katz im Jahr 1963 zeigte er das Gemälde "Die große Nacht im Eimer", das ziemlich unverhohlen einen jungen Mann mit einem erigierten Geschlechtsteil zeigt. Baselitz wollte damit darauf aufmerksam machen, dass es neben der amerikanischen auch eine relevante Kunst aus Deutschland gab.

Für das Publikum und die Sittenwächter der 1960er-Jahre war dieses Werk aber einfach nur provokant und wurde als Pornografie eingestuft. Das Bild wurde beschlagnahmt und es folgten staatsanwaltliche Ermittlungen. Immerhin sorgte diese Aktion dafür, dass der Name Georg Baselitz sowohl in der Kunstszene als auch in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Allerdings musste der Individualist in den folgenden Jahren weiterhin gegen große Widerstände im Kunstbetrieb ankämpfen. Letztlich trieb ihn dies aber nur weiter an und ließ ihn am Ende so erfolgreich werden.

Mittlerweile gehört Georg Baselitz unbestritten zum Kunstkanon. Den kritischen Blick auf die Kunstszene hat er sich aber bis heute bewahrt. So wirft er der jungen Künstlergeneration vor, zu wenig mutig, innovativ und rebellisch zu sein. Die Kunstpolitik mit ihren Förderungen und Subventionen mache die jungen Künstlerinnen und Künstler faul und produziere eine belanglose Konformkunst. Eine harte Kritik, doch damals wie heute sind nach Baselitz' Philosophie gute Kunst und der Bruch von Konventionen unmittelbar miteinander verknüpft.

Baselitz definierte den Bildbegriff neu

Wollte man Georg Baselitz vorwerfen, dass seine Rebellion und seine Provokation purer Selbstzweck seien, würde man damit zu kurz greifen. Vielmehr befindet er sich auf einer dauerhaften Suche nach neuen Interpretationen des Bildbegriffs. Seitdem sich Baselitz entschlossen hat, figürlich zu malen, zielt er niemals auf eine Abbildung der Realität ab. Die Motive interessieren ihn ebenso wenig wie mögliche Botschaften, die dahinter stehen. Ihm geht es um die Malerei selbst und seine Wirkungsmöglichkeiten.

Dafür hebt er die Bildgegenstände auf ein neues Level und definiert sie auf ungewohnte Weise um. Dieser Ansatz spiegelt sich in seiner unverkennbaren Bild- und Formensprache. Wenn er mit Axt und Kettensäge Skulpturen schafft oder Gemälde in wahren Farberuptionen entstehen lässt, wirkt dies alles sehr wild, impulsiv und wuchtig.

Seinen größten Schritt in Richtung eines individualisierten Bildbegriffs machte Baselitz aber bereits Ende der 1960er-Jahre, als er begann, seine Motive schlicht auf den Kopf zu stellen. Durch diese vermeintlich simple Idee veränderte er den Charakter seine Gemälde komplett. Er habe damit die fatale Abhängigkeit der Bilder von der Wirklichkeit aufbrechen wollen, so der Künstler. Im gleichen Zuge brachte er aber auch die Sehgewohnheiten der Betrachterinnen und Betrachter auf nie gekannte Weise ins Wanken.

Bis heute ist der Kopfstand seiner Bilder Baselitz' unverkennbares Markenzeichen und weithin bekanntes Alleinstellungsmerkmal.

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