Diejenigen, die vor zwanzig Jahren den Zauber erlebt haben, der von dem in silbrig-glänzende Stoffbahnen gehüllten Reichstag ausging, vergessen den Anblick und die friedlich-kontemplative Stimmung um das von Christo und Jeanne-Claude geschaffene Kunstwerk herum sicher nicht mehr. Je nach Tageszeit und Lichteinfall entfaltete der verhüllte Reichstag eine individuelle, faszinierende Wirkung. Nur zwei Wochen lang war das zugleich kolossale und vergängliche Kunstereignis zu erleben und prägte doch eine ganze Generation und nicht zuletzt das Deutschlandbild im Ausland. Es wurde zu einem Sinnbild für die Zukunftshoffnungen der wiedervereinten Republik und zog Millionen Besucher in seinen Bann. Für den Impulsgeber des Projektes Michael S. Cullen waren die zwei Wochen der Reichstagsverhüllung sogar das eigentliche Fest der Wiedervereinigung Deutschlands. Der seit Beginn der 60er- Jahre in Berlin lebende amerikanische Historiker und Publizist hatte Christo 1971 über einen Freund eine Postkarte des 1894 erbauten Reichstagsgebäudes zukommen lassen, mit dem Vorschlag, es doch zu verhüllen, worauf Christo mit einem knappen „Ja, besorgen Sie die Genehmigung“ geantwortet haben soll.
Den Ende der 50er-Jahre aus Bulgarien geflohenen Christo reizt die Verhüllung des direkt an der Mauer gelegenen geschichtsträchtigen Gebäudes, aufgrund seiner symbolischen Bedeutung für die Teilung Europas besonders. Noch im selben Jahr schlagen Jeanne- Claude und er den Abgeordneten in Bonn das Projekt mit dem Arbeitstitel „Wrapped Reichstag, Project for Berlin“ vor und kassieren zunächst eine Absage.